Berger Modellbau, Göttingen
Der Oberbau der Eisenbahn hat eine stetige Entwicklung hinter sich, er musste immer wieder an die gestiegenen Anforderungen des Verkehrs angepasst werden. Eine Eigenschaft von Gleisanlagen, die zwar kaum wahrgenommen aber extrem wichtig ist, ist die Elastizität. Das gilt für das Schotterbett, die Schienen und vor allem auch für die Befestigung der Schienen auf den Schwellen.
Ältere starre Systeme der Länderbahnen litten unter starkem Verschleiß und erforderten einen hohen Unterhaltungsaufwand.
Der bekannte Oberbau K hat die typischen Klemmplatten, die für einen elastischen Halt des Schienenfußes sorgen sollen und einen sicheren Kippschutz gewährleisten. Die Elastizität wird im wesentlichen durch die doppelten Federringe (dreifache Fe beim Betonschwellenoberbau) zwischen Klemmplatte und Hakenschraubenmutter erreicht. Bei der Bundesbahn wurden die Federringe dann auch mit den Schwellenschrauben verwendet (Bei der DRB galt das nur für Weichenplatten).
Die Muttern oder Schrauben werden soweit angezogen, dass die Federringe zwischen ihren Gängen noch einen Spalt von 1 – 1,2 mm haben, die Federwegreserve für die Elastizität des Oberbaus. Ab den fünfziger Jahren wurden auch bei der DB die Bemühungen forciert, den personal- und zeitintensiven Gleisbau durch den Einsatz von Maschinen wirtschaftlicher zu gestalten. Auch die Verschraubung der Klemmplatten konnte mit Kleinmaschinen beschleunigt und vereinfacht werden. Allerdings ließ sich mit den Geräten die exakte Vorspannung der Federringe nicht zuverlässig erreichen, so dass manuelle Nacharbeit weiterhin notwendig wurde. Oft wurde bemängelt, dass bis zum Anschlag zusammengepresste Federringe nur noch als Schraubensicherung wirken und die Elastizität des Oberbaus verloren geht.
Und trotz der Federringe zwischen Rippenplatten und Schwellenschrauben neigten die Platten zum Einarbeiten in die Schwellendecke. Das gilt für Holz- und Betonschwellen.
Der Oberbau K galt als bewährt und ausgereift, gerade für höchste Belastungen. Die erkannten Schwachstellen zeigten aber auch auf, dass weiter über Verbesserungen nachgedacht werden musste.
Nach Vorarbeiten in den fünfziger Jahren und Entwicklungen bei anderen europäischen Bahnen waren die Sechziger das Jahrzehnt der Neuentwicklungen. Nach den Erfolgen in Japan und Frankreich war der Schnellverkehr mit 200 km/h und darüber der mögliche und notwendige Schritt im Wettbewerb mit Auto und Flugzeug. Gleichzeitig zeigten neue Untersuchungen wie groß die Bedeutung federnder Elemente im Gleisbau ist.
Der erste Schritt war die Weiterentwicklung der Schienennägel zu Federnägeln, später Spannnägel genannt. Diese konnten auch in Streckengleisen verwendet werden, allerdings wurde ihr Einsatz nach Versuchen auf gering belastete Strecken begrenzt. Ihre Grenzen hatten die Bauarten in Gleisbögen mit Radien unter 500 Meter, da sie die verstärkte Kippneigung der Schienen nicht bändigen konnten. In engen Bögen wurde weiterhin der Oberbau K eingebaut.
Die nächste Entwicklung waren Federelemente, die mit Rippenplatten zur Führung der Schiene kombiniert wurden.
Der Spannbügel Sbü1 wurde mit den bekannten Rph1 (u.ä.) des Oberbau K verwendet. Der Federbügel wurde in die Ausfräsung für die Hakenschraube eingesetzt. Die Bauart konnte also gegebenenfalls ohne große Umbauten in vorhandene Gleise eingebaut werden.
Fotos von Verwendungen bei der DB sind mir (noch) nicht bekannt. Es gibt aber diverse Bilder von Werkbahnen.
Von den CWH (Chemische Werke Hüls AG) sind auch Weichen (Industrienorm) mit diesen Befestigungen bekannt. (Genehmigung zum Bild liegt nicht vor. ISBN 978-3-86680-574-3)
Die Bauart mit dem Spannbügel Sbü4 – auch Delta-Bügel genannt – fand bei der DB größere Verbreitung. Es wurden Rippenplatten für Holz-, Stahl- und Betonschwellenoberbau entwickelt. Die Strecken mit Stahlschwellen erwiesen sich als ziemlich langlebig (wenn man sich im Netz diverse Ausschreibungen zur Streckensanierung ansieht).
Der Oberbau mit Sbü4 wurde etwa 1963/64 als Regelbauart zugelassen, aber auch nur für geringe Belastungen und auch hier nicht für engere Gleisbögen mit Radien unter 500 Meter, weil keine Begrenzung der Kippneigung geboten wurde.
Es gibt ein gelungenes Modell (leider nur ein Befestigungspunkt), allerdings ist die zeitliche Zuordnung und die Erklärung des Federbügels falsch.
Weitere Nachteile der Spannbügel:
Die Abstützung des harten Federstahls im „weichen“ Walzstahl der Rippenplatten ließ eine kritische Abnutzung erwarten.
Wichtiger ist aber, dass der Ein- und Ausbau der Federbügel nur manuell mit Spezialgeräten möglich war und somit dem Konzept des automatisierten Gleisbaus Grenzen setzte.
Weitere Sbü-Varianten wurden bei Versuchen zur festen Fahrbahn eingebaut.
Beispiele für weitere Versuche:
Ein weiterer Vorschlag kam von Hermann Meier, Professor an der TH München. Diese Konstruktion war – wie die der SNCF – speziell für Betonschwellen entwickelt worden.
Zu beiden Seiten des Schienenfußes liegen die Winkelführungsplatten kraftschlüssig in Vertiefungen der Betonschwelle. Sie übernehmen die seitliche Führung der Schiene und können die daraus resultierenden Kräfte direkt in die Schwelle ableiten. Gleichzeitig stützt sich der Spannbügel Sbü7 auf der Winkelführungsplatte ab. Der auch Epsilon-Spannbügel genannte Sbü7 ist so konstruiert, dass seine äußeren Schenkel mit dem optimalen Druck auf den Schienenfuß wirken, wenn die Mittelschlaufe von der Schwellenschraube auf die Führungsleiste der Winkelführungsplatte heruntergedrückt wird. Zwischen Schiene und Betonschwelle liegt nur eine 5 mm starke elastische Zwischenlage. Der ständige Kraftschluss des Systems erlaubte den Verzicht auf stählerne Unterlagsplatten.
1966 und 1967 wurden einige Gleiskilometer zu Erprobung auf die nach seinem Urheber benannte HM-Befestigung umgebaut. Dazu wurden Strecken mit niedriger, mittlerer und hoher Belastung ausgewählt.
Für die Schwellen fanden modifizierte B58 Verwendung.
Die Ergebnisse des Probebetriebs waren sehr überzeugend. Man rechnete mit dauerhaft niedrigen Unterhaltungskosten und hoher Nutzungsdauer. In der Beschaffung war der HM-Oberbau gegenüber dem vielteiligen Oberbau K deutlich günstiger.
Gegenüber den Spannbügelbauarten Sbü1 und Sbü4 war der Vorteil, dass die Grundspannung des Federelements durch die Verschraubung im hochfesten Dübel erreicht wird während bei den beiden anderen die Kräfte in die Rippenplatten eingeleitet werden mit verschleißfördernden Scherkräften.
Der HM-Oberbau hatte noch eine Schwäche: wie viele Entwicklungen zuvor bot er nur einen unzureichenden Schutz gegen Kippbewegungen. Allerdings konnte dieser Mangel durch eine Verlängerung der Mittelschlaufe auf einfachste Weise behoben werden. Die Schlaufe ragt nun über den Schienenfuß. Wenn das nun Spannklemme Skl1 (anderes Wirkungsprinzip als Sbü) genannte Federelement durch die Verschraubung auf die Führungsleiste gedrückt wird, bleibt der für die Elastizität notwendige Abstand von 1,5 mm zum Schienenfuß. Die Befestigung eignet sich deshalb besonders gut für die maschinelle Verschraubung.
Zur Weiterentwicklung mit der Skl1 gehörte auch noch eine neue Betonschwelle B70 und schließlich die noch heute gültige Bezeichnung W-Oberbau.
In den fünf Jahrzehnten seit Einführung des Oberbau W sind diverse Varianten für verschiedene Einsatzzwecke entwickelt worden. Das System ist preisgünstig, besteht aus nur wenigen Teilen und ist sowohl für Hochgeschwindigkeitsstrecken als auch höchste Belastungen geeignet und ist dabei auch noch extrem wartungsarm. Aus diesen Gründen ist das Befestigungssystem inzwischen weltweit verbreitet.
Eine Nebenentwicklung des Spannklemmenoberbaus ist die innere Backenschienenverspannung IbaV, die seit Anfang der siebziger Jahre den Weichenbau vereinfacht hat. Der bis dahin getriebene Aufwand mit Schienenstützen, Keilverspannungen u.ä. wurde von schlichten Federbügeln – integriert in die Gleitstühle – abgelöst.
Überraschenderweise gibt es von diesem weltweit verbreiteten Oberbau keine käufliche Nachbildung – der oberbaubewußte Purist wird also wieder selbst nach Möglichkeiten der Realisierung suchen.
Ein Gespräch mit meinem Gießer bestätigte meine Ahnung, dass mit Blick auf eine beschädigungsfreie und nervenschonende Ausformung der Wachsrohlinge eine einfache Massenfertigung mit Beteiligung der Spannklemmen im maßstäblichen Bereich nicht angesagt ist.
Danach entwickelte ich mein Konzept für den W-Oberbau in 1:32:
Einige Urmodelle der B70-Schwelle entstanden im hochwertigen 3D-Druck. Damit ließen sich Silikonformen anfertigen, mit denen die Serienfertigung mit Hartgipsguss aufgenommen werden konnte. Die Resindrucke und die Silikonformen wurden dann so gut, dass die Kennungen auf den Schwellen lesbar sind.
Die Schwellen erhielten Aufnahmen, in die die „Dübel“ für die Schwellenschrauben eingeklebt werden sollen. Diese Dübel bilden mit den Winkelführungsplatten ein Bauteil. Der Dübel dient gleichzeitig als Zapfen, mit dem das Bauteil im Spannzangenfutter der Drehmaschine eingespannt werden kann. Da kann er dank einer Zentrierung in der Winkelführungsplatte zielgenau durchbohrt werden. Die Bohrungen sollen die Schwellenschrauben aufnehmen.
Für die Befestigung der Schwellenschrauben wollte ich zwei Methoden ausprobieren:
Die Schrauben werden in die Bohrungen eingeklebt.
Schrauben und Bohrungen erhalten Gewinde M1,2, damit die Spannklemmen wirklich verschraubt werden können.
Dementsprechend entstand das 3D-Modell für einen Gussast. Ich vergaß, einen der Neusilberäste zu dokumentieren, deshalb zeige ich das Computermodell:
Das Schraubengewinde konnte mitgegossen werden und erreicht eine ausreichende Qualität. Die Gewindebohrungen in den Dübeln erhielten wegen der nicht zu kalkulierenden Qualität der Schrauben eine großzügige Kernlochbohrung, denn jedes Klemmen der kleinen Teile könnte den Spaß an der eh schon fummeligen und langwierigen Montage dämpfen.
Soviel zu den einfachen Komponenten. Blieben noch die Spannklemmen, die den Skl1 möglichst nahe kommen sollten. Anfragen bei Betrieben, die sich mit der Drahtbiegerei auskennen brachten zwei Erkentnisse: Die Dinger sind in 1:32 machbar und ab einer Bestellung von 10.000 Klemmen kommt man in den einigermaßen akzeptablen Bereich von etwa 15 Cent /Stück.
Für meinen Versuchsaufbau brauchte ich die Skl1 aber nicht säckeweise. Also musste eine Idee her wie man als Laie ohne große Erfahrung und Biegeequipment gut hundert möglichst gleichartige Exemplare fertigen kann. Zunächst dachte ich an eine Superuniversalvorrichtung: Draht rein, zwei oder drei Handbewegungen und raus kommt die fertige Klammer. Ein kleines Filmchen von der Herstellung der Originale brachte die Lösung. Da werden die geglühten Drähte von Robotern von Biegestation zu Biegestation weitergereicht bis die fertigen Produkte in hübsche Holzkisten verpackt den Weg in die Schwellenwerke antreten.
Ich baute mir für die Einzelschritte möglichst einfache Vorrichtungen passend zum ausgewählten 0,45 mm Neusilberdraht. Die ersten zwei Arbeitsgänge (ohne Foto) sind:
Die in der folgenden Dokumentation gezeigten Vorrichtungen entstanden aus passenden Resten, sind deshalb nicht schön sondern nur zweckmäßig. Ich habe darauf geachtet, dass die Bildqualität das Werkzeugdesign nicht übertrifft.
Zunächst wird die Mittelschlaufe gebogen. Der 0,9 mm Biegebolzen dreht sich nicht mit, damit der Draht beim Biegen nicht mitgezogen wird. Die Schlaufe ist enger als das M1,2-Gewinde der Schwellenschrauben. Deshalb ist der Schaft der Schrauben unterhalb des Kopfes verjüngt und die Klemme kann mit der Schwellenschraube vormontiert werden. Wie alle weiteren Vorrichtungen erlaubt auch diese erste ein leichtes Überbiegen der Drähte.
Die Biegehilfen bestehen immer aus zwei Teilen. Ein festes Element, in dem der Draht möglichst spielfrei fixiert wird, dazu gehören auch die Biegebolzen. Das Biegeelement bewegt sich mit einem 8 mm starken Zapfen um den Biegebolzen und soll den durch das Glühen etwas weichen Draht beim Biegen soweit möglich auch sicher führen.
Wegen des dicken Zapfens können die symmetrischen Biegungen immer nur einseitig ausgeführt werden. Die Bauteile werden dann gewendet und weiterbearbeitet. Daraus ergibt sich der Vorteil der nahezu hundertprozentigen Symetrie.
Es war einfacher, die kleinen Drahtenden in Schritt 3 zu biegen und erst dann die äußeren Schenkel mit dem etwas größeren Radius abzuwinkeln.
Die Klemmen wurden dann noch in der Breite etwas gestaucht, um die leichte Spreizung (letztes Foto) zu beseitigen (kein Foto). Mit der letzten Bearbeitung wird die typische Wölbung der Spannklemme erreicht. Auch das war fotografisch nicht wirklich darstellbar.
Die eigentliche Montage gestaltete sich eher unkompliziert. Die Schwellen mit den eingeklebten Winkelführungsplatten werden ausgerichtet (bei größeren Baumaßnahmen am besten mit einer gelaserten Schablone), die Schienen aufgelegt und dann mit den Schwellenschrauben und Spannklemmen fixiert.
Dann war da noch die Frage welche Befestigungsweise die bessere ist. Mein Urteil fällt eindeutig zu Gunsten der Schraublösung aus auch wenn der Aufwand durch das Gewindebohren doch viel größer ist: Damit lässt sich eindeutig mehr Druck auf den Schienenfuß bringen. Wenn die Federn vom Fachbetrieb noch vorbildgetreuer gefertigt werden können, wäre das Anzugmoment der Verschraubungen vielleicht sogar die einzig sinnvolle Möglichkeit. Für einen Meter Modellgleis benötigt man rund 220 Einzelbefestigungen, da wäre eine automatisierte Fertigungsmöglichkeit der Gewindebohrungen schon nicht schlecht. Ein einfaches Werkzeug, das während der Verschraubung ein Verdrehen der Spannklemme verhindert, sollte dann auch kein Problem mehr darstellen.
Mein Mustergleis hat noch Luft nach oben, zeigt aber, dass der W-Oberbau machbar ist. Allerdings ist auch deutlich, dass das beim Vorbild relativ einfach aufgebaute System im Modell ziemlich viel Arbeit macht bis ein ansehnliches Ergebnis steht.
Mein kurzes Testgleis hat einen Radius von 500 Vorbildmetern und eine Überhöhung von 15 cm. Das lässt eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu. Wie alle meine Strecken liegt auch diese in einem Bergsenkungsgebiet im nördlichen Ruhrgebiet und hat deshalb alle 120 Meter Laschenstöße auf Kuppelschwellen.
Letzte Änderung: 28. November 2021