Berger Modellbau, Göttingen

Schienenherzstücke

Abb.1 Hauptspitze

Abb.1 Hauptspitze

Abb.2 Beispitze

Abb.2 Beispitze

Abb.3 Schienenherzstück Prinzip

Abb.3 Schienenherzstück Prinzip

Abb.4 pr. EW 140

Abb.4 pr. EW 140

Abb.5 EH Blatt 204s 1941

Abb.5 EH Blatt 204s 1941

Abb.6 EW 190 1:7

Abb.6 EW 190 1:7

Abb.7 W1 von Evonik in Marl-Sinsen

Abb.7 W1 von Evonik in Marl-Sinsen

Gleismodellbauer aller Spurweiten fertigen ihre Herzstücke oft aus Regelschienenprofilen. Beim Vorbild waren und sind diese Bauformen eher Raritäten und nur in Bereichen mit schwacher Belastung eingebaut.

Die typische Vorgehensweise der Modellbauer ist das Zusägen und Befeilen der Haupt- und Beispitzen. Wenn man genauer hinsieht entdeckt man, dass die äußerste Herzstückspitze dann ohne Unterstützung durch den Schienensteg in der Luft hängt. Im Modell mag das funktionieren, im Vorbildbetrieb wird diese Stelle aber durch die Radlast zuzüglich einer dynamischen Komponente beansprucht. Ein so konstruiertes Herzstück wäre wahrscheinlich schon nach der ersten Zugfahrt hinüber.

Die Konstrukteure wenden einen eigentlich simplen Kniff an, um den Steg auch unter die Spitze zu führen: Die Hauptspitze wird abgeknickt und dann werden Kopf und Fuß abgearbeitet, dass sich die spitze Form ergibt.
Die Beispitze wird ähnlich bearbeitet. Hier wird durch das Abknicken erreicht, dass der Steg bis nahe an die Herzstückspitze herangeführt werden kann. Dadurch kann die Verschraubung der Schienenstücke mit einem dazwischenliegenden Futterstück möglichst weit in Richtung Spitze gelegt werden. Die Verschraubung erfolgt mit zwei oder drei Schrauben (siehe Abb. 1-3).

Zu Länderbahnzeiten wurden Weichen je nach Belastung wahlweise mit Herzstücken aus (Regel-)Schienen oder Vollschienen ausgestattet. Beispiel der KPEV

Eine solche Weiche liegt noch im Anschluß der Landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft Hannover im Bahnhof Rosdorf (EW 140 1:7 Fz, Abb. 4). Die innenliegende dreifache Verschraubung der Spitzen ist ganz gut zu erkennen.

Die Reichsbahn musste ihren Beitrag zum Krieg der Nazis auch durch Materialeinsparung im Oberbauwesen leisten. Dafür wurden die EH nach den Blättern 204s (190 1:9), 253s (300 1:9) und 210s (DH 1:9) mit S 49-Profilen als sogenannte Bauart 1941 eingeführt. Da die Achsdrücke seit den Länderbahnzeiten zugenommen hatten, kann es nicht verwundern, dass bereits 1942 eine Version ähnlich der Bauart 1927 Blatt 4 ohne Ausschmiedungen, aber mit gekürzten Vollschienen folgte. Das Foto zeigt ein Ausstellungsstück des Weichenwerks Witten, das den Besuchern gerne mal falsch beschildert gezeigt wird („Kriegsbauart ca. 1937“, Abb.5). Auffällig ist der bis in den Flügelschienenzwickel durchgeführte Steg.

Bei der Reichsbahn der DDR erfuhren die s-Bauarten eine Renaissance und wurden noch durch das EH nach Blatt 263s (500 1:14) ergänzt. Aber auch hier dürften die Weichen ausschließlich den gering belasteten Bereichen vorbehalten gewesen sein.

Mit den letzten Fotos will ich zeigen, dass die Bauart noch immer gebaut wird. Die ehemalige Zechenbahn der Gewerkschaft Auguste Victoria in Marl wird heute von Evonik betrieben und dient dem Verkehr vom Bahnhof Marl-Sinsen zum Chemiepark Marl (ehemals HÜLS AG, ehemals CWH). In Sinsen gibt es einen Anschluß zu einem Werk der IMERYS-Gruppe. Für den geringen Verkehr reicht offensichtlich eine Industrieweiche EW 190 1:7 mit Schienenherzstück. Im Lauf der Liegezeit hat sich der Raum zwischen Herzstückspitzen, Futterstücken und Flügelschienen mit Dreck angefüllt, so dass die typische innenliegende Verschraubung leider nicht zu erkennen ist. Das Wetter war an dem Tag wenig einladend und es war gerade kein Hilfsmittel greifbar um das Zeug auszuräumen.
Die Konstruktion entspricht der Norm für Industrieweichen ab den siebziger Jahren: sie hat eine Zungenvorrichtung mit Federschienenzungen und innerer Backenschienenverspannung, die Schienenbefestigung entspricht der Oberbauart K. Es sind Schwellennägel mit der Jahreszahl 95 zu finden. (Abb. 6 u. 7)

Letzte Änderung: 24. September 2021