Irgendwann – wenn ich mich recht erinnere, gegen Ende der Neunziger – als zumindest einige Eisenbahnmodellbauer sich zunehmend mit Oberbauthemen befassten, tauchten auch konkrete Zahlen auf und der epochenbewußte Bahner wurde erhellt: Holzschwellen bei der DB sind 2,6 Meter lang und bei der alten Reichsbahn reichte es nur für 2,5 Meter.
Wenn man es nicht besser weiß oder überprüfen kann, dann glaubt man eben den selbsternannten Fachleuten und trägt die neue Wahrheit weiter in die Modellbahnerwelt hinaus.
Ich selbst sammelte erste Kenntnisse und – wenn es sie gab – Unterlagen zum Thema und kam dann auf die gloreiche Idee, doch mal im Weichenwerk Witten anzufragen ob denn von der frisch geschlüpften Bundesbahn nur die Gleisschwellen gestreckt wurden oder ob bei der Gelegenheit nicht auch an den Weichenschwellen etwas angestückelt wurde zumal ja die Anfangsschwellen mit 2,5 m doch irgendwie mickrig ausfielen. Ich habe nie eine Antwort bekommen und habe manchmal ein Bild vor mir, wie der Werksleiter mein wohlformuliertes Schreiben in den Behälter für die ganz bekloppten Anfragen beförderte.
Einige Jahre später konnte ich mit der Geschichte wenigstens noch einen pensionierten Bahnmeister erheitern, der mich dann mit der Bemerkung “…nie davon gehört” zum erstenmal stutzen ließ.
Und irgendwann bekam ich dann Literatur in die Hand, der ich doch mehr traue als tradierten Gerüchten: Gustav Wulfert, nicht nur bei Modellbauern als fundierte Quelle anerkannt, klärte mich auf: Reichsbahnschwellen waren auch 2,6 m lang. Der Vermerk früher 2,7 m bezieht sich auf Länderbahnschwellen.
Warum kam es zu der Falschmeldung, die dann mehr oder weniger Modellbahner-Allgemeingut werden konnte?
Irgendwann hatte ein interessierter Unglücksrabe eine Zeichnung vor sich, vielleicht sogar ein DRG-Blatt und da sind doch die Schwellen mit zweifuffich bemaßt! Na das passt doch in die Laienlogik: höhere Achslasten und höhere Geschwindigkeiten bei der DB, da werden die Schwellen zwecks Oberbauverstärkung länger sein!
Das mit den höheren Geschwindigkeiten und Achslasten ist natürlich Quatsch. Ein genauerer Blick hätte gereicht um festzustellen, dass es sich bei der Zeichnung um Gleise mit Stahlschwellen handelte. Und die hat die Reichsbahn für den Oberbau K mit 2,5 m Länge produzieren lassen. Daneben gab es noch reichlich 2,7 m lange Eisenschwellen aus Länderbahnzeiten.
Letzte Änderung: 4. Juni 2021